Blumenschneiden führt zum Leben
Kein Problem. So ein schöner Blumenstrauß hat immer was. Es ist ja auch einfach: Vase raus, Wasser rein, Stengel gekappt und fertig. Die Blumen wirken schon von alleine, was soll da denn noch Kunst sein? Und vor allem: Was hat das mit der Zen-Philosophie zutun? Die Kunst des Blumensteckens hat in Japan eine lange Tradition und war nix für Frauen. Schließlich musste man ein Adeliger oder Priester sein, um die Blumen richtig arrangieren zu können. Gerade die Japaner (jedenfalls die meisten) haben ein inniges Verhältnis zur Natur. Bevor der Buddhismus in Japan Fuß fassen konnte, gab es die Naturreligion des Shinto. Sie ist bis heute geblieben, obwohl sich der Buddhismus mit dem Shinto verbunden hat. Dabei sind die kleinen und großen Kami, die Naturgötter überall zu finden. Das spielte sich zunächst bis zum 6. Jahrhundert ab und dann kam der Buddhismus über Korea (Seon) und China (Chan) – daraus wurde dann Zen. Natürlich beschränkt sich der Buddhismus nicht nur auf Zen. Aber zurück zu den Blümchen in der Vase.
Es geht darum Himmel, Erde und Mensch darzustellen mit einem bestimmten Arrangement von Blüten, Blättern und Zweigen und es geht vor allem auch um das, was man nicht sieht: die Zwischenräume, das was leer bleibt. In den Chroniken Japans, den Nihon shoki heißt es: „Jede Pflanze vermag sehr wohl sich selbst auszudrücken.“
Es ist also nicht einfach „Oh – ein schöner Blumenstrauß, den stecke ich mal flugs in eine Vase“, sondern die Kunst des Ikebana hat seinen Ursprung im Zen-Buddhismus. Wenn die Blumen abgeschnitten werden, hat das die Bedeutung des kleinen Todes, der von allen Abhängigkeiten befreit und somit schließlich zum Leben führt. Das scheint paradox. Doch zum Leben gehört die Vergänglichkeit, die Zeit. Beim Arrangieren des Gesteckes ist auch die Leere wichtig wie im Zen. Erst die Leere führt zur Harmonie der gesteckten Blumen. Es ist vergleichbar mit der Leere eines Speichenrades. Nur durch die Zwischenräume von einer Speiche zur anderen ist das Rad in der Lage ein Rad zu sein und sich um die Nabe zu drehen.
Die Leere schafft die Balance und führt zur Bestimmung in der Natur.