Ich erkenne dich nicht wieder!
Wer schon einmal an einem Fluss gebadet hat, denkt vermutlich, dass er immer wieder an der selben Stelle in das kühle, leicht dahinfließend Wasser taucht. Ein guter Bekannter von mir, Klaus, schwärmte immer von einer ganz tollen Stelle in dem Flüsschen Sieg. Das ist ein Fluss, der durch die Naturregion Rhein-Sieg fließt und schließlich in den Rhein mündet. Auch mein Sohn schwört auf eine prima Stelle, in der er immer sein Kajak zu Wasser lässt. „Es ist immer die gleiche Stelle“, betont er. Ist sie das wirklich? Sind wir wirklich in der Lage immer an der gleichen Stelle in den Fluss zu steigen? Das Wasser fließt stetig. Wenn wir vor einer Minute in das Wasser gestiegen sind und wieder den Fuß in die kleinen Wellen tauchen, ist es nicht mehr das gleiche Wasser. Das, worin wir zuvor unseren Fuß eingetaucht haben, ist eine Minute flußabwärts. Auch die Kiesel auf dem Ufer sind nicht mehr an der gleichen Stelle. Sie haben sich für unser Augen unmerklich verändert und ihre Position verändert.
Alle sieben Jahre
So geht es tatsächlich auch den Menschen. Sie verändern in einem Zyklus von rund sieben Jahren ihre komplette Struktur auf molekularer Ebene. Das haben Wissenschaftler wie der Zellbiologe Jonas Frisen bereits im Jahr 2005 am Karolinska-Institut in Stockholm herausgefunden. Seine Forschungen haben herausgefunden, dass der Mensch „tatsächlich alle sieben bis zehn Jahre einen völlig neuen Körper“ hat und dass die Veränderungen unterschiedlich schnell ablaufen. Das der Körper dazu in der Lage ist neue Zellen zu bilden, können wir ganz leicht feststellen, wenn wir uns verletzt haben. Die Wunde wird mit neu gebildeten Zellen geschlossen. Selbst unser Skelett, so hat Frisen herausgefunden, wird alle zehn Jahre erneuert. Der chinesische Regisseur Tian Li hat sich jedes Jahr einmal mit seinem Vater fotografieren lassen, um die rein äußerliche Veränderung zu dokumentieren. Nachzulesen in einen Artikel der Frankfurter Allgemeinen vom 04.04.2017 unter dem Titel Fast wie neugeboren.
Nach den Grundsätzen der buddhistischen Philosophie ist das Leben auf allen Ebenen eine ständige Veränderung. Das sollte uns aber nicht traurig machen, weil wir vielleicht etwas scheinbar verlieren, sondern wir sollten die Veränderungen annehmen. Wir können sowieso nichts dagegen unternehmen, so sehr wir das manchmal auch wollen. Und oft bringt die Veränderung auch neue Kraft für die Zukunft. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagte Hermann Hesse.