Steht da auch Zen-Meister drauf?
„Alle meine Fragen sind an mich selbst gerichtet. Meine Aufgabe als Abt ist es nicht, die Antworten für andere geben, sondern die Anderen zu der Erkenntnis zu führen, ihre eigenen Fragen stellen zu müssen, Fragen leben und beantworten zu müssen“, sagte der ehemalige Abt des japanischen Klosters Antaji, Muho Nölke. Er wollte aufzeigen wie Zen-Schüler einen richtigen Zen-Meister erkennen. Es ist nicht der, der sich Zen-Meister nennt, sondern der, der von anderen so genannt wird. Bleibt hier die Frage: Was ist überhaupt ein Zen-Meister? Es ist ein relativ junger Begriff aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eigentlich gibt es ihn im Japanischen gar nicht. Das kommt einem jetzt wahrscheinlich komisch vor, aber ein Meister wäre doch jemand, der tatsächlich ausgelernt hat und da taucht auch gleich eine neue Frage auf: Kann der Praktizierende im Zen überhaupt auslernen? Die Japaner kennen die Bezeichnung Roshi für Lehrer und Osho für Tempelvorsteher. Meister würden sie sich aber schon aus Bescheidenheit nicht nennen. Sie sind Lehrer und geben ihre Erfahrung weiter. Sie können aber nicht die Erkenntnis weitergeben. Denn die muss jeder selbst erfahren, genauso wie Siddharta es unter dem Bodhi-Baum tat. Der Zen-Meister ist in den Tempeln sozusagen der Supervisor für die Mönche. In dem Sinne würde wohl eher der japanische Begriff Sensei, einfach für Lehrer, passen.
Shunryu Suzuki, der Gründer des ersten Zen-Klosters außerhalb Asiens, das Tassajara Zen Mountain Center in der Nähe von San Francisco, sprach immer davon, dass es wichtig sei, immer wie ein Anfänger Zen zu praktizieren. Niemals zu akzeptieren, was andere als Wahrheit ausgeben. Er sagte: „Eine Vorstellung von Wahrheit zu akzeptieren, ohne sie zu erleben, ist wie ein Gemälde eines Kuchens auf Papier, den man nicht essen kann.“ Das erinnert ein wenig an den belgischen Surrealisten René Magritte, ja – der mit der Melone und mit seinem Gemälde einer Pfeife. Darin steht gleich die Antwort darauf, was es ist: Ceci n’est pas une pipe. Das Bild einer Pfeife ist eben keine Pfeife. Klingt so, als habe Magritte Zen praktiziert.
Wo wir gerade bei Künstlern sind: Der niederländische Zeichner Frenk Meeuwsen war fasziniert von der japanischen Zen-Kultur. Japan wurde für ihn zu einem Sehnsuchtsort, um sich selbst zu finden. Er zeichnete eine Graphic Novel über seine Suche nach sich selbst. Er schrieb: „Dem Gründer der Soto-Schule [ Anm. Dogen Zenji ] zufolge reichte die Meditation im Sitzen aus. Er war der Meinung, dass man die ‚Erleuchtung‘ nicht bewusst zu erstreben brauchte. Sich einfach nur hinzusetzen mit vollster Aufmerksamkeit war mehr als genug.“
Keiner kann sich selbst als Zen-Meister bezeichnen. Er kann von anderen als Lehrer angesehen und vielleicht als Meister bezeichnet werden aus einer Haltung des Respekts heraus. Wichtig ist aber immer zu hören, was jemand sagt und ob er danach handelt. Der Autor Frank Meeuwsen sagt dazu: „Es ist nicht wichtig, was man tut, sondern wie man es tut.“
Wenn Zen-Meister draufsteht, muss nicht zwangsläufig auch Zen-Meister drin sein.