Wer verschusselt, bringt die Gleichmut in Gefahr
Der Gleichmut findet in der großen Brockhaus Enzyklopädie nicht statt. Er müsste doch eigentlich in Band 8 Fru-Gos zu finden sein. Da fragt sich der Wissensdurstige doch gleich mal mutig: Warum nicht? Im Japanischen, so habe ich es im Übersetzer nachgelesen, wird Gleichmut mit shikuza für ruhig gleichgesetzt. Und za steht dann für sitzen. Und – schon sind wir bei Shikantaza von Dogen Zenji, der es wiederum als einfach nur sitzen, einfach im Zustand von hellwacher, gedankenfreier Aufmerksamkeit sein, beschreibt. Ich hätte nicht anfangen sollen, über das schöne deutsche Wort Gleichmut nachzudenken. Für den Duden ist es ein ruhiger, leidenschaftsloser Gemütszustand. Und voilà wir landen bei einem buddhistischen Grundprinzip des mittleren Weges.
Von den Boatpeople in Vietnam erzählte der Mönch Thich Nhat Hanh, der während des Vietnamkrieges humanistische Hilfe leistete und dadurch schließlich im eigenen Land zur persona non grata erklärt wurde. Die Boote, mit denen die Menschen über das Meer vor dem Krieg flüchteten, waren meistens ungeeignet, überladen und konnten kaum größeren Wellen standhalten. Wenn Sturm aufkam, brach Panik aus. „Wenn aber nur ein Mensch in dem Boot ruhig blieb, so wirkte sich das auf die ganze Besatzung aus und es brach keine Panik aus“, erzählte der Zen-Mönch. Nur ein Mensch musste ruhig sein und Gleichmut in der Situation zeigen. Das wirkte sich auf alle anderen aus. Die Situation blieb gefährlich, aber es war möglich, überlegt und ohne Panik das Boot zu steuern. Das war lebensrettend und somit zeigt Gleichmut auch Engagement und bedeutet keinesfalls Gleichgültigkeit.
Einer der bekanntesten gleichmütigen Menschen in der Welt ist sicherlich der tibetische Mönch Tenzin Gyatso, besser bekannt unter seinem Titel „Dalai Lama“, der seit 1959 im Exil in Dharamsala, Nordindien, lebt. Er sagt zwar immer, dass er nur ein einfacher Mönch sei, aber mal ehrlich, davon ist er doch weit entfernt, sonst würde er doch nicht ständig und überall eingeladen werden. Dazu braucht es in Dharamsala auch Assistenten, die sich um alles kümmern, wenn der Chef mal nicht da ist oder die sich auch um die Planung für die nächste Reise kümmern. In in der Dokumentation „Der letzte Dalai Lama“ von Regisseur Mickey Lemle, wurde er mal gefragt, ob es denn nichts gäbe, was ihn aus der Ruhe brächte? Der Dalai Lama zog die Stirn kraus, der Mund wurde etwas verkniffen und er stieß ein vernehmliches „Hmmm…“ aus. Er sah in die Kamera und bestätigte, dass er sich auch mal ärgere, wenn ein Mitarbeiter etwas verschusselt oder nicht korrekt gemacht habe. „Ich rege mich schnell auf, wenn etwas schiefgeht. Meine erste Reaktion … Oh, Mist!“, setzte er hinzu. Dann hellte sich sein Gesicht auf und er lachte: „Das hält aber nicht lange, danach bin ich wieder schnell gut gelaunt.“ Auch der Dalai Lama ist ein Mensch und die Gleichmut ist mal futsch! Aber der Kern der Geschichte ist doch, dass er nicht nachtragend ist und gleich wieder gut gelaunt. Das gehört zum Gleichmut.